Gesamtwerk

197 Gestühl Historische Entwicklung: Im Laufe der Entwicklung des Kirchenbaus wurde das Kirchengestühl zum festen Bestandteil der Ausstattung einer Kirche. War es im Mittelalter noch üblich, dass die Gläubigen im Kirchenraum während der Gottesdienste standen, knieten oder am Boden saßen, entwickelten sich ab dem 15. Jahrhundert ausgehend von bereits üblichen festen Gestühlen der Priester im Chorraum einzelne Kirchengestühle, die von priviligierten Bürgern erworben, verliehen und weitervererbt werden konnten. Nach und nach wurden diese Sitzgelegenheiten in feste Bankblöcke regelmäßig geordnet und zusammengefasst. Stirn- und Rückseiten boten wie die Wangen vom ornamentfreudigen Barock bis ins 20. Jahrhundert Gelegenheit, diese teilweise sehr aufwendig zu gestalten. So wurde das zum Kirchenraum gehöhrende Gestühl immer in Abstimmung auf den gesamten Raum und seine Ausstattung entworfen - aufwendig und reich durchgestaltet in prunkvollen Wallfahrts- und Klosterkirchen und einfacher und bescheidener in kleinen, insgesamt zurückhaltender ausgestatteten Dorfkirchen. Erst mit der Erneuerung der Liturgie durch das Zweite Vatikanische Konzil wurden ab den 1960er Jahren Konzepte für flexible und lockere Einzelbestuhlungen anstelle eines fest montierten Gestühls entwickelt. Das Kirchengestühl von Kirchenneubauten aus dieser Zeit wirkt leicht und durchsichtig und verliert durch den Verzicht auf Wangen, Podien und durchgängige Rückenlehnen seinen blockartigen Charakter. Schematischer Aufbau: Gestühlblöcke haben als raumgliedernde und -ordnende Elemente, als Farbträger und Masse im Raum eine wesentliche Bedeutung für den Eindruck eines Kircheninnenraums. Man unterscheidet dabei zwischen Laiengestühl im Kirchenraum und auf den Emporen und dem festen Chorgestühl im Altarraum. Eine Ausnahmestellung bilden Sedilien, also Priestersitz und Assistenzstühle (Ministrantensitze) im Altarraum der Kirche. Die über Jahrhunderte entwickelten Konstruktionsprinzipien haben bis heute Berechtigung. Die durchgehenden Bänke mit Rückenlehnen werden seitlich begrenzt und befestigt durch abschließende Gestühlswangen. An die jeweils vorangehende Bank sind die Kniebänke und die schmalen Auflagebretter für das Gebetbuch montiert. Diese werden zu kompakten Blöcken durch erhöhte hölzerne Bankpodien und durch geschlossen ausgebildete Stirn- und Rückenseiten zusammengefasst. Neben rein funktionalen Aufgaben, wie dem Schutz vor Zugerscheinungen und kaltem Fußboden, kommt dem Kirchengestühl auch liturgische Bedeutung zu: es verbindet die Gläubigen und fasst sie als Gemeinschaft zum Volk Gottes zusammen. Durch die oft deutliche Absetzung vom Kirchenboden begibt sich der Kirchenbesucher in einen Bereich, der der Sammlung, dem Gebet und dem Ort für die Mitfeier des Gottesdienstes vorbehalten ist.

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