Table of Contents Table of Contents
Previous Page  175 / 214 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 175 / 214 Next Page
Page Background

175

Gestühl

Historische Entwicklung:

Im Laufe der Entwicklung des Kirchenbaus wurde das Kirchengestühl zum festen

Bestandteil der Ausstattung einer Kirche. War es im Mittelalter noch üblich, dass die

Gläubigen im Kirchenraum während der Gottesdienste standen, knieten oder am Boden

saßen, entwickelten sich ab dem 15. Jahrhundert ausgehend von bereits üblichen festen

Gestühlen der Priester im Chorraum einzelne Kirchengestühle, die von priviligierten

Bürgern erworben, verliehen und weitervererbt werden konnten. Nach und nach wurden

diese Sitzgelegenheiten in feste Bankblöcke regelmäßig geordnet und zusammengefasst.

Stirn- und Rückseiten boten wie die Wangen vom ornamentfreudigen Barock bis ins 20.

Jahrhundert Gelegenheit, diese teilweise sehr aufwendig zu gestalten. So wurde das

zum Kirchenraum gehöhrende Gestühl immer in Abstimmung auf den gesamten Raum

und seine Ausstattung entworfen - aufwendig und reich durchgestaltet in prunkvollen

Wallfahrts- und Klosterkirchen und einfacher und bescheidener in kleinen, insgesamt

zurückhaltender ausgestatteten Dorfkirchen. Erst mit der Erneuerung der Liturgie durch

das Zweite Vatikanische Konzil wurden ab den 1960er Jahren Konzepte für flexible und

lockere Einzelbestuhlungen anstelle eines fest montierten Gestühls entwickelt. Das

Kirchengestühl von Kirchenneubauten aus dieser Zeit wirkt leicht und durchsichtig und

verliert durch den Verzicht auf Wangen, Podien und durchgängige Rückenlehnen seinen

blockartigen Charakter.

Schematischer Aufbau:

Gestühlblöcke haben als raumgliedernde und -ordnende Elemente, als Farbträger und

Masse im Raum eine wesentliche Bedeutung für den Eindruck eines Kircheninnenraums.

Man unterscheidet dabei zwischen Laiengestühl im Kirchenraum und auf den Emporen

und dem festen Chorgestühl im Altarraum. Eine Ausnahmestellung bilden Sedilien,

also Priestersitz und Assistenzstühle (Ministrantensitze) im Altarraum der Kirche. Die

über Jahrhunderte entwickelten Konstruktionsprinzipien haben bis heute Berechtigung.

Die durchgehenden Bänke mit Rückenlehnen werden seitlich begrenzt und befestigt

durch abschließende Gestühlswangen. An die jeweils vorangehende Bank sind die

Kniebänke und die schmalen Auflagebretter für das Gebetbuch montiert. Diese werden

zu kompakten Blöcken durch erhöhte hölzerne Bankpodien und durch geschlossen

ausgebildete Stirn- und Rückenseiten zusammengefasst. Neben rein funktionalen

Aufgaben, wie dem Schutz vor Zugerscheinungen und kaltem Fußboden, kommt dem

Kirchengestühl auch liturgische Bedeutung zu: es verbindet die Gläubigen und fasst sie

als Gemeinschaft zum Volk Gottes zusammen. Durch die oft deutliche Absetzung vom

Kirchenboden begibt sich der Kirchenbesucher in einen Bereich, der der Sammlung, dem

Gebet und dem Ort für die Mitfeier des Gottesdienstes vorbehalten ist.